Im Sanierungsgebiet Victoriastadt in Berlin Lichtenberg, einem gründerzeitlichen Wohnquartier, war der Instandsetzungsbedarf angesichts jahrelang dem Verfall preisgegebener Bausubstanz hoch, etliche Wohnungen standen leer. Häuser in der Kaskel-, Türrschmidt- und Pfarrstraße wurden sowohl von Jugendlichen mit sozialen Problemen und teils rechtsgerichteten Gruppen wie auch von linksgerichteten Autonomen/ Punks besetzt.

 

Pfarrstrasse-111Der Sozialdiakon der Erlöserkirche rief für jene Jugendlichen einen sozialen Projektverbund ins Leben, der eine Notaufnahme, eine Sozialküche und ein Konzept für betreutes Wohnen mit einschloss. Dieser Verbund, der Verein „Sozialdiakonische Jugendarbeit Lichtenberg e.V.“, wurde Träger des ersten Projekts, das die L.I.S.T. GmbH 1990 in Berlin Lichtenberg übernahm: Der Pfarrstraße 111, einem von rechtsgerichteten Jugendlichen besetzten Haus. Diese Maßnahme wurde mit Mitteln, die der Ostberliner Magistrat analog zur Selbsthilfeförderung zur Verfügung gestellt hatte, durchgeführt. Eigentümerin des Gebäudes war die Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg, die mit dem Projektträger einen langfristigen Pachtvertrag abschloss.

Im Zuge der Sanierung des Hauses wurden sieben Wohnungen geschaffen, das Dachgeschoss ausgebaut und im Erdgeschoss Räume für eine soziale Beratungsstelle hergerichtet. Gleichzeitig schloss das Projekt Beschäftigungs- und Integrationsmaßnahmen für gewaltbereite Jugendliche ein, die so neue Orientierung erhielten und auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden konnten. Für 20 der rechtsorientierten Jugendlichen wurden ABM-Stellen geschaffen. Unter Anleitung professioneller Betreuer_innen übernahmen sie die Instandsetzung des Hauses von Grund auf, inklusive der Balkensanierung. Die Wohnungen wurden nach der Sanierung mit Hilfe des Lichtenberger Jugendamtes als betreute Wohnungen für obdachlose Jugendliche genutzt.

Die 1991 begonnene Sanierung konnte im Frühjahr 1993 abgeschlossen werden, investiert wurden ca. 1,3 Mio. DM. Das Projekt war in der Öffentlichkeit keineswegs unumstritten, hatte jedoch als Selbsthilfemodell deutliche Sogwirkung: Kurze Zeit später folgten weitere Besetzergruppen diesem Beispiel.